Du bist auf Dienstreise. Es ist 6:00 Uhr morgens, du sitzt verschlafen im Zug, weil dein Termin um 10:00 Uhr in einer anderen Stadt beginnt. Während die Landschaft vorbeirauscht, fragst du dich: „Zählt das hier eigentlich schon als Arbeitszeit – oder ist das nur Freizeit?“
Nach einem langen Meeting kommst du erst spät abends wieder nach Hause. Klar ist: Du bist fix und fertig. Aber wie viel davon darfst du eigentlich abrechnen? Und wie sehen Arbeitgeber das Ganze?
Genau darum geht es in diesem Artikel: Wir schauen uns an, was bei Dienstreisen in Bezug auf Arbeitszeit, Vergütung und rechtliche Vorgaben gilt – und wie Unternehmen und Beschäftigte Missverständnisse vermeiden können.
Warum Dienstreisen ein sensibles Thema sind
Dienstreisen sind im Arbeitsalltag vieler Branchen unvermeidbar – ob für Kundentermine, Messen, Schulungen oder Konferenzen. Doch während sie auf der einen Seite als Investition in Netzwerke, Wissen und Geschäftsentwicklung gelten, werfen sie auf der anderen Seite oft praktische Fragen auf:
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Zählt die Reisezeit zur Arbeitszeit?
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Wie wird Überstundenregelung angewendet?
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Gibt es Unterschiede zwischen Bahn, Auto und Flugzeug?
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Muss das Unternehmen Verpflegung und Unterkunft zahlen?
Gerade weil es hier so viele Grauzonen gibt, lohnt sich ein tiefer Blick in die Rechtslage – und in die Praxis, wie Unternehmen faire Lösungen gestalten können.
Arbeitszeitgesetz (ArbZG): Der rechtliche Rahmen
Das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) in Deutschland legt fest:
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Maximal 8 Stunden pro Tag (mit Ausnahmen bis 10 Stunden)
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Mindestens 11 Stunden Ruhezeit zwischen zwei Arbeitstagen
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Ausnahmen gelten für bestimmte Branchen
Die große Frage ist also: Wann gilt Reisezeit als Arbeitszeit?
Reisezeit = Arbeitszeit? Das hängt davon ab
Die Antwort lautet: Es kommt drauf an.
1. Dienstreise mit dem Auto (Selbstfahrer:in)
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Wenn du selbst fährst, ist das klar Arbeitszeit.
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Schließlich kannst du die Zeit nicht frei nutzen und arbeitest aktiv.
2. Dienstreise mit Zug oder Flugzeug (passiv, kein Arbeiten)
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Hier gilt die Reisezeit in der Regel nicht automatisch als Arbeitszeit.
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Ausnahme: Wenn du während der Fahrt arbeitest (z. B. Mails schreiben, Präsentationen vorbereiten), zählt diese Zeit.
3. Dienstreise im Ausland
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Auch hier gelten die Grundsätze wie oben.
- Besonderheit: Oft dauert die Reise länger, z. B. interkontinental. Arbeitgeber sollten klar regeln, ob und wie diese Zeit anerkannt wird.
Was sagt die Rechtsprechung?
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat entschieden:
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Aktive Reisezeit (selbst fahren oder arbeiten unterwegs) = Arbeitszeit.
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Passive Reisezeit (nur im Zug sitzen, nichts tun) = keine Arbeitszeit, es sei denn, im Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag steht etwas anderes.
Aber: Auch wenn die Reisezeit nicht als Arbeitszeit gilt, muss sie angemessen vergütet oder ausgeglichen werden.
Vergütung: Wer zahlt was?
Neben der reinen Arbeitszeitregelung gibt es weitere Kostenfragen:
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Fahrtkosten: Muss der Arbeitgeber übernehmen (Ticket, Sprit, Maut, Parken).
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Übernachtungskosten: Hotel oder Unterkunft wird gestellt oder erstattet.
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Verpflegungsmehraufwand: Pauschalen nach Abwesenheitsdauer (z. B. 14 Euro für mehr als 8 Stunden Abwesenheit).
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Sonstige Kosten: Taxi, ÖPNV, Internetgebühren – sofern dienstlich nötig.
👉 Tipp: Unternehmen sollten klare Reiserichtlinien festlegen, damit es keine Diskussionen über Abrechnungen gibt.
Praktische Tipps für Arbeitgeber
1. Klare Regelungen schaffen
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Definiert in einer Reiserichtlinie: Was gilt als Arbeitszeit? Was nicht?
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Legt fest, wie Überstunden oder lange Reisen ausgeglichen werden.
2. Fairness vor Formalität
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Auch wenn passive Reisezeit rechtlich nicht immer Arbeitszeit ist, fühlen sich Mitarbeitende oft belastet.
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Ein Ausgleich (z. B. Gleitzeit, zusätzlicher Urlaubstag) steigert Motivation und Loyalität.
3. Auf Erholung achten
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Keine Dienstreisen, die Ruhezeiten verletzen.
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Lieber eine Übernachtung mehr bezahlen, als übermüdete Mitarbeitende im Büro sehen.
4. Moderne Tools nutzen
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Digitale Abrechnungssysteme vereinfachen die Reisekostenabrechnung.
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Automatisierte Pauschalen sparen Zeit und Diskussionen.
Tipps für Beschäftigte
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Dokumentiere deine Reisezeiten: Notiere genau, wann du losgefahren und zurückgekommen bist.
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Klär vorher die Regeln: Frag HR oder deinen Vorgesetzten, wie Reisezeit gehandhabt wird.
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Nutz die Zeit sinnvoll: Wenn es nicht als Arbeitszeit zählt, gönn dir Podcasts, Musik oder ein gutes Buch.
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Rechtzeitig melden: Wenn du merkst, dass Ruhezeiten verletzt werden, sprich es an – das ist nicht nur dein Recht, sondern auch eine Frage der Sicherheit.
Fallbeispiele aus der Praxis
Beispiel 1: Start-up
Ein junges Software-Unternehmen hat viele Kundentermine in Deutschland. Reisezeit wird voll als Arbeitszeit angerechnet – egal ob aktiv oder passiv. Begründung: „Unsere Leute geben sowieso immer Vollgas – da wollen wir nicht kleinlich sein.“
Beispiel 2: Mittelständischer Betrieb
Hier gilt: Nur aktive Fahrzeit = Arbeitszeit. Passive Fahrzeit wird durch zusätzliche Urlaubstage ausgeglichen.
Beispiel 3: Konzern
Strenge Reiserichtlinie: Passive Zeit = keine Arbeitszeit. Ausnahme: Mitarbeitende arbeiten nachweislich unterwegs. Dann wird die Zeit als Überstunden anerkannt.
Sonderfälle
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Tarifverträge: Manche Branchen (z. B. Bau, Metall) haben eigene Regelungen.
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Auslandsreisen: Hier entstehen oft 12–20 Stunden Reisezeit. Viele Unternehmen regeln diese Fälle gesondert, um Frust zu vermeiden.
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Dienstreisen am Wochenende: Besonders heikel. Auch hier sollte ein Ausgleich vorgesehen sein.
Fazit
Dienstreisen sind ein Balanceakt zwischen Recht und Fairness. Rechtlich ist vieles klar geregelt – aber die Praxis zeigt: Es kommt stark auf die Unternehmenskultur an.
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Für Arbeitgeber: Klare Reiserichtlinien und faire Ausgleichsmodelle verhindern Unzufriedenheit und Rechtsstreitigkeiten.
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Für Beschäftigte: Wer seine Rechte kennt und frühzeitig klärt, vermeidet böse Überraschungen bei der Abrechnung.
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Kurzfristig: Mitarbeitende müssen wissen, wie ihre Reisezeit behandelt wird – sonst entsteht Frust.
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Mittelfristig: Faire Regelungen stärken die Bindung und machen Dienstreisen attraktiver.
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Langfristig: Ein Unternehmen, das seine Leute auch auf Reisen respektvoll behandelt, stärkt seine Arbeitgebermarke und gewinnt im „War for Talent“.
Am Ende gilt: Dienstreisen sind zwar Teil des Jobs, aber sie dürfen nicht zur Belastungsprobe werden. Wer hier transparent und fair agiert, sorgt für zufriedene Mitarbeitende – und für erfolgreiche Geschäfte.
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