Red Flags im Arbeitszeugnis: „Mit seinen Aufgaben war er stets bemüht…“ – was eigentlich wie ein Kompliment klingt, ist in Wirklichkeit ein echter Karrierekiller.
Stell dir vor: Du bewirbst dich für deinen Traumjob. Der Lebenslauf ist top, dein Anschreiben sitzt, das Vorstellungsgespräch läuft gut – doch dann schaut sich die Personalerin dein Arbeitszeugnis an, runzelt die Stirn … und bedankt sich freundlich fürs Gespräch. Danach: Funkstille.
Was ist passiert? Du hattest ein Arbeitszeugnis in der Bewerbung, das für dich zwar ganz okay klang – aber bei HR-Profis alle Alarmglocken schrillen lässt. Willkommen in der Welt der Zeugnissprache, in der „wohlwollend“ oft das Gegenteil von freundlich ist. Und in der ein scheinbar neutrales „zu unserer Zufriedenheit“ eine verklausulierte Kritik sein kann.
Klingt unfair? Ist aber Alltag. Und genau deshalb lohnt es sich, genauer hinzuschauen: Was steht wirklich in deinem Zeugnis? Welche versteckten Botschaften könnten sich darin verbergen? Und wie kannst du solche Formulierungen vermeiden – oder sogar nachträglich korrigieren?
Was steht da eigentlich wirklich?
Ein Arbeitszeugnis soll „wohlwollend“ formuliert sein – so will es das Gesetz (§ 109 GewO). Aber gleichzeitig muss es auch der Wahrheit entsprechen. Das Ergebnis: eine Art Geheimcode, der sich wie Lob liest, aber oft Kritik versteckt.
Klassische Red Flags im Arbeitszeugnis im Überblick
Hier ein paar Formulierungen, bei denen HR-Profis direkt stutzig werden:
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„Er bemühte sich, den Anforderungen gerecht zu werden.“ → Er hat’s probiert. Hat aber nicht geklappt.
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„Er zeigte Verständnis für seine Aufgaben.“ → Er hat verstanden, was er tun sollte. Hat’s aber nicht umgesetzt.
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„Sie war bei Kollegen beliebt.“ → Und bei Vorgesetzten? Eher nicht.
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„Er trat engagiert auf.“ → Betonung liegt auf „aufgetreten“. Taten? Fehlanzeige.
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„Er verlässt unser Unternehmen auf eigenen Wunsch.“ → Klingt okay? Kann aber auch heißen: Es gab Konflikte.
Ein gutes Zeugnis sollte auf den ersten Blick positiv wirken – und das auch beim zweiten Hinsehen bleiben. Klingt es zu nüchtern, zu floskelhaft oder voller versteckter Aussagen, ist Vorsicht geboten.
Wie du ein gutes von einem schlechten Zeugnis unterscheidest
Die Kunst liegt in der Kombination aus Sprache, Struktur und Inhalt. Ein gutes Arbeitszeugnis besteht meist aus:
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Einleitung: Zeitraum, Position, Aufgaben
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Leistungsbeurteilung: Fachwissen, Arbeitsweise, Engagement, Erfolg
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Sozialverhalten: Verhalten gegenüber Vorgesetzten, Kolleg:innen, Kund:innen
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Schlussformel: Dank, Bedauern, Zukunftswünsche
Achtung bei:
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fehlenden Schlussformeln („Wir danken für die Zusammenarbeit“ fehlt)
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neutraler Sprache ohne Emotion („war stets bemüht“)
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Lücken in der Tätigkeitsbeschreibung (wichtige Aufgaben fehlen)
Wenn du neu in der Arbeitswelt bist, klingen viele dieser Phrasen erstmal nett. Aber ein:e HRler:in mit Erfahrung liest sofort zwischen den Zeilen – und entscheidet in Sekunden, ob du eingeladen wirst oder nicht.
Was du beim ersten Arbeitszeugnis unbedingt beachten solltest
Gerade beim Berufseinstieg ist das erste Zeugnis besonders wichtig. Es ist oft der einzige „Nachweis“ deiner Leistung – und bleibt lange Teil deiner Bewerbung.
3 Tipps für dein erstes Zeugnis:
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Bestehe auf einem qualifizierten Zeugnis.
Ein einfaches Zeugnis listet nur Tätigkeiten auf. Ein qualifiziertes enthält eine Bewertung deiner Leistung – und nur das zählt bei Bewerbungen. -
Lass dir dein Zeugnis zeigen, bevor du es unterschreibst oder annimmst.
Du hast das Recht, Änderungswünsche zu äußern, wenn du dich ungerecht beurteilt fühlst. -
Lies es mit kritischem Blick – oder lass es prüfen.
Es gibt Online-Dienste und Gewerkschaften, die dein Zeugnis kostenlos oder günstig checken (z. B. IG Metall, Ver.di oder spezielle Portale wie Zeugnis.de).
Kann ich ein Arbeitszeugnis ändern lassen?
Ja – wenn es sachlich falsch, unvollständig oder nachweislich negativ codiert ist, kannst du Einspruch erheben.
So gehst du vor:
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Gespräch suchen: Frag höflich nach der Intention der Formulierungen und bitte um Korrektur.
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Vorschlag machen: Bring eine alternative, bessere Formulierung mit.
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Schriftlich einreichen: Fordere schriftlich (per E-Mail oder Brief) eine Änderung und verweise auf dein Recht auf ein „wohlwollendes“ und „wahres“ Zeugnis.
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Rechtsberatung einholen: Wenn das nichts bringt, kannst du dich an den Betriebsrat, die Gewerkschaft oder einen Anwalt wenden.
⚠️ Achtung: Die Fristen sind oft kurz. In vielen Bundesländern musst du innerhalb von 6 Monaten nach Zeugnis-Erhalt eine Korrektur fordern. Also: nicht ewig liegen lassen!
Was tun, wenn das Zeugnis schon im Umlauf ist?
Manchmal merkt man erst später, dass das Zeugnis problematisch war – z. B. nach mehreren erfolglosen Bewerbungen. Auch dann kannst du handeln:
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Selbst reflektieren: War das Zeugnis wirklich negativ? Oder liegt es an anderen Faktoren?
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Altes Zeugnis „ersetzen“: Du kannst bei ehemaligen Vorgesetzten um ein neues, aktualisiertes Zeugnis bitten – vor allem, wenn ihr im Guten auseinandergegangen seid.
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Erklärung im Gespräch: Wenn du eingeladen wirst, kannst du eine unklare Formulierung im Gespräch proaktiv ansprechen und einordnen („Mir war damals nicht bewusst, dass das negativ klingt …“).
Was Arbeitgeber sehen wollen – und was nicht
Positive Schlüsselwörter:
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„stets zur vollsten Zufriedenheit“ → sehr gute Leistung
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„überdurchschnittliches Engagement“
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„hervorragende Fachkenntnisse“
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„förderte die Teamarbeit aktiv“
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„zeigte stets Eigeninitiative“
No-Gos und Red Flags:
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„zur Zufriedenheit“ (ohne Steigerung)
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„bemühte sich“
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„verließ das Unternehmen auf eigenen Wunsch“ (ohne Bedauern oder Dank)
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„arbeitete im Rahmen seiner Fähigkeiten“
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fehlende oder schwache Schlussformel
Ein gutes Zeugnis sollte nicht nur nett klingen, sondern konkret, differenziert und wertschätzend sein – ohne hohle Floskeln.
Was bedeutet das für dich als Berufseinsteiger:in?
Gerade wenn du frisch aus Studium oder Ausbildung kommst, ist dein erstes Arbeitszeugnis Gold wert. Es gibt potenziellen Arbeitgebern Einblick in:
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deine Arbeitseinstellung
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deinen Umgang mit Kolleg:innen
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deinen Lernerfolg in der Praxis
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deine Soft Skills (Teamwork, Kommunikation etc.)
Es lohnt sich also, dieses Dokument ernst zu nehmen – und nicht nur als „Pflichtanhang“ zu sehen.
Fazit: Dein Zeugnis ist mehr als ein Stück Papier – es ist dein Karrierekompass
1. Lies genau – und zwischen den Zeilen
Auch wenn ein Zeugnis auf den ersten Blick positiv klingt, steckt oft mehr dahinter. Lerne, die Sprache zu lesen – oder hol dir Unterstützung. Dein beruflicher Ruf hängt mit daran.
2. Sei mutig – und fordere dein Recht ein
Du musst kein Jura-Studium haben, um für ein faires Zeugnis zu sorgen. Höflich nachzufragen oder Verbesserungsvorschläge zu machen ist völlig legitim – und zeigt gleichzeitig, dass du deine berufliche Zukunft selbst in die Hand nimmst.
3. Nutze dein Zeugnis strategisch
Wenn du ein gutes Zeugnis hast, nutz es offensiv! Hebe im Vorstellungsgespräch konkrete Sätze hervor, die dich besonders gut beschreiben. Und wenn’s mal nicht so rosig war: Lerne daraus, frag nach Feedback und entwickle dich weiter.
Arbeitszeugnisse sind kein Hexenwerk – aber auch kein Selbstläufer. Sie sind Spiegel deiner Entwicklung. Und gerade als junger Mensch im Berufsleben gilt: Du hast das Recht auf faire Bewertung – und die Pflicht, sie auch einzufordern.
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