Soziale Herkunft und Karriere: Wie fair ist der Arbeitsmarkt wirklich?

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Soziale Herkunft und Karriere: Wie fair ist der Arbeitsmarkt wirklich?

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Wird Leistung wirklich belohnt? Gleiche Chancen für alle – klingt gut, ist aber oft Wunschdenken. Noch immer entscheidet in Deutschland nicht nur Talent oder Fleiß darüber, wie weit jemand kommt, sondern oft auch, die soziale Herkunft, wer die Eltern sind, wo man aufwächst und welche Netzwerke man hat.

Für viele junge Menschen aus nicht-akademischen oder einkommensschwachen Familien bedeutet das: Karriere ist kein Sprint, sondern ein Hürdenlauf. Und nicht alle haben die gleichen Startblöcke.

Soziale Herkunft und Karriere: Wie fair ist der Arbeitsmarkt wirklich?


Die Zahlen sagen: Herkunft zählt (zu) viel

In kaum einem anderen Industrieland hängt der berufliche Erfolg so stark von der sozialen Herkunft ab wie in Deutschland. Laut einer Studie des Wissenschaftszentrums Berlin (WZB, 2023) haben Kinder aus Akademiker:innen-Haushalten eine dreimal höhere Wahrscheinlichkeit, selbst ein Studium aufzunehmen.

Weitere Fakten:

  • Laut Sozialerhebung des Deutschen Studierendenwerks (2021) gehen 77 % der Kinder aus Akademiker:innen-Familien an die Uni – bei Arbeiter:innen-Kindern sind es nur 27 %

  • Nur 2 % der DAX-Vorstände kommen aus einem nicht-akademischen Umfeld (AllBright Stiftung, 2023)

  • Berufliche Netzwerke, unbezahlte Praktika oder „Vitamin B“ sind oft für junge Menschen aus finanziell schwächeren Haushalten nicht realistisch


Karriere beginnt nicht nach der Schule – sondern vorher

Strukturelle Nachteile zeigen sich nicht erst beim Berufseinstieg, sondern oft schon Jahre vorher – manchmal sogar unbemerkt. Wer in einem Umfeld aufwächst, in dem akademische Bildung, Auslandserfahrungen oder Karriereplanung keine große Rolle spielen, hat es später ungleich schwerer. Das fängt bei den Vorbildern an: Wenn niemand im eigenen Umfeld studiert oder beruflich in leitenden Positionen arbeitet, fehlt oft die Vorstellung davon, was möglich wäre – und wie man dorthin kommt.

Hinzu kommt, dass viele junge Menschen aus nicht-akademischen Familien bei zentralen Schritten wie der Bewerbung für Praktika, Universitäten oder Auslandsaufenthalte auf sich allein gestellt sind. Elterliche Unterstützung bei Bewerbungsunterlagen oder Sprachzertifikaten? Fehlanzeige. Das wirkt sich auf die Qualität der Unterlagen und die Chancen auf begehrte Plätze aus.

Ein weiterer Punkt ist das Geld. Während manche Schüler:innen private Nachhilfe, Sprachreisen oder unbezahlte Praktika locker über das Familienbudget finanzieren können, bedeutet all das für andere: einfach nicht machbar. Das schränkt nicht nur die Entwicklung von Fähigkeiten ein, sondern verschließt auch Türen zu wichtigen Stationen im Lebenslauf – gerade bei Elite-Universitäten oder renommierten Arbeitgeber:innen, die genau solche Erfahrungen voraussetzen oder stillschweigend erwarten.

Diese strukturellen Unterschiede sind nicht immer sichtbar, prägen aber maßgeblich, wer sich wo bewirbt, wie selbstbewusst jemand auftritt und welche Chancen überhaupt realistisch wahrgenommen werden. Und genau deshalb muss soziale Herkunft viel stärker als Einflussfaktor in Karrierefragen berücksichtigt werden.


Warum das auch Unternehmen betrifft

Diversität ist nicht nur ein Buzzword, sondern längst ein wirtschaftlicher Faktor. Trotzdem wird das Thema soziale Herkunft selten mitgedacht.

Was aktuell fehlt:

  • Karrierepfade für Quereinsteiger:innen ohne elitär geprägte Lebensläufe

  • Mentoring-Programme für junge Talente aus nicht-akademischen Haushalten

  • Faire Auswahlprozesse bei Praktika, Traineeprogrammen & Co.

  • Offenheit für verschiedene Bildungsbiografien


Praktische Tipps für mehr Chancengleichheit

Für Jobsuchende:

  • Netzwerke aktiv aufbauen – Alumni-Treffen, LinkedIn, lokale Meetups

  • Initiativbewerbungen statt nur über Jobportale

  • Stipendien checken, z. B. von Stiftungen wie Rosa Luxemburg, Heinrich Böll, Deutschlandstipendium

  • Mentor:innen suchen – z. B. über reverse mentoring oder Programme wie Arbeiterkind.de

Für Unternehmen:

  • Lebensläufe nicht nur nach Lücken oder Titeln bewerten, sondern nach Potenzial

  • Anonyme Bewerbungsverfahren testen

  • Gezielte Förderprogramme für Nachwuchs aus bildungsfernen Schichten aufbauen

  • Sichtbarkeit von Role Models aus verschiedenen sozialen Hintergründen fördern


Die psychologische Komponente: Wer glaubt, dazugehört zu haben

Nicht nur strukturell, auch emotional hinterlässt soziale Herkunft Spuren. Das Gefühl von „nicht dazu gehören“, sich erklären zu müssen oder bestimmte Codes nicht zu kennen, zieht sich bis ins Berufsleben. Viele berichten von:

  • „Impostor-Syndrom“ trotz guter Leistungen

  • Übermäßiger Druck, perfekt sein zu müssen

  • Vermeidung bestimmter Branchen oder Rollen

  • Scheu vor Führung oder Verantwortung


Fazit: Der Arbeitsmarkt ist nicht neutral – noch nicht

Die Idee vom sozialen Aufstieg durch Bildung ist ein schönes Narrativ. Aber sie ignoriert, wie viele Hürden im Hintergrund wirken. Chancengleichheit existiert nicht von allein, sondern muss aktiv gestaltet werden.

Für viele aus weniger privilegierten Verhältnissen bedeutet Karriere: doppelt kämpfen. Und trotzdem durchziehen es viele – mit beeindruckender Resilienz, Mut und einem klaren Blick auf Ungerechtigkeit.

Was es jetzt braucht: Bewusstsein, strukturelle Veränderung und echte Förderung. Damit Herkunft nicht länger das größte Karrierehindernis ist.


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